Sands

Sands, S

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LYNSAY SANDS
Ein Vampir unterm
Weihnachtsbaum
Ins Deutsche übertragen
von Katrin Reichardt
1
Als Teddy aufwachte, stellte er fest, dass er sich über Nacht wie ein Maulwurf unter
der Bettdecke eingegraben hatte und fror. Das war seltsam, denn normalerweise
strampelte er im Schlaf immer die Laken weg, und kalt war ihm beim Aufwachen
eigentlich auch nie.
Anscheinend war die Heizung ausgefallen. Er warf die Decke von sich, setzte sich
auf und sah sich um. Im grellen Sonnenlicht, das von draußen ins Zimmer flutete,
konnte er sehen, wie sich bei jedem Atemzug ein Wölkchen vor seinem Mund
bildete.
O ja, die Heizung war definitiv aus. Er zog eine Grimasse, schwang sich aus dem
Bett und eilte durch den Flur. Der Teppich unter seinen Füßen fühlte sich kalt an.
Am Ende des Korridors lag der weitläufige Hauptraum des Hauses, eine Kombina-
tion aus Wohnzimmer, Küche und Esszimmer. Die linke, mit Teppich ausgelegte
Hälfte bildete den Wohnbereich. Dort standen zwei Sessel, ein Sofa und eine
Schrankwand mit einer Heimkino- und Musikanlage. Außerdem gab es einen offen-
en Kamin. Die rechte Hälfte war gekachelt und beherbergte die Küche und den
Essbereich.
Auf dem Weg zum Wandthermostat warf Teddy automatisch einen Blick auf die
Digitaluhr am Herd. Irritiert stellte er fest, dass die Anzeige nicht funktionierte,
und blieb stehen. Auch das Display des DVD-Players unterm Fernseher war tot.
Teddy ahnte schon, was los war. Probeweise betätigte er den Lichtschalter und war
kaum überrascht, als nichts geschah. Nicht nur die Heizung war ausgefallen, son-
dern die komplette Stromversorgung.
»Na toll«, murmelte er verärgert und machte sich auf den Weg zurück ins Sch-
lafzimmer. Im Cottage war es jetzt schon unangenehm kalt, und durch den Stro-
mausfall würde es noch schlimmer werden. Wenn er weiter so – bloß im Schlafan-
zug und barfuß – im Flur herumstand, verschwendete er nur sinnlos Körperwärme.
Also beschloss er, sich schnell anzuziehen und sich dann ein warmes Örtchen in der
Stadt zu suchen, von dem aus er sich bei Marguerite melden und sie fragen konnte,
wer für die Behebung des Stromausfalls zuständig wäre.
In einer Ecke des Schlafzimmers, das er für sich ausgewählt hatte, stand ein
Stuhl, auf dem er seinen Koffer abgestellt hatte. Teddy klappte den Deckel auf und
nahm sich das dickste Paar Socken heraus, das er finden konnte – und zur Sicher-
heit noch ein weiteres. Er ging mit den Socken in der Hand zum Bett, sah dabei
zufällig aus dem Fenster und blieb jäh stehen.
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Bei seiner Ankunft gestern Abend war es bereits dunkel gewesen, und im Schein-
werferlicht des Wagens hatten die vereisten Äste der Bäume und der hohe Schnee
links und rechts der Einfahrt wunderschön ausgesehen und wie Edelsteine
geglitzert. Doch heute wirkte die Landschaft schon nicht mehr so bezaubernd.
Missmutig stellte er fest, dass über Nacht mindestens ein halber Meter Neuschnee
gefallen war. Sein Pick-up war nur noch ein Schneehaufen in der Einfahrt.
»Mist«, fluchte er leise und versuchte seine Gedanken zu ordnen. Was war nun
zu tun? Warm anziehen, eine Schaufel suchen, seinen Truck ausgraben, dann in die
Stadt fahren und dort ein warmes Café suchen, wo es gemütlicher wäre als hier,
und von dem aus er Marguerite anrufen könnte.
Oder sollte er sie lieber gleich verständigen? Inzwischen war Teddy mit den
Socken fertig und zog nun Jeans und Pullover über seinen Schlafanzug. Die Ein-
fahrt freizuschaufeln würde sicher eine ganze Weile dauern, und wenn er jetzt
gleich anrief, wäre derjenige, der den Stromausfall beheben konnte, wahrscheinlich
schon hier, ehe Teddy die Räumarbeiten beendet hatte.
Ja, dieser Plan war besser. Also zog sich Teddy fertig an und eilte in die Küche,
wo er sein Telefon abgelegt hatte. Am Vorabend hatte er es noch ans Ladegerät an-
geschlossen. Dummerweise schien der Strom bereits kurz danach ausgefallen zu
sein, denn die Ladestandanzeige war inzwischen weiter gesunken. Als er das Handy
einschaltete, piepste es noch einmal warnend und ging dann aus.
Knurrend schob Teddy es in die Hosentasche, zog Mantel, Schal und Stiefel an,
nahm sich seine Handschuhe und öffnete die Küchentür. Die Wohnräume im Cot-
tage waren schon kalt, aber im Windfang herrschten erst recht eisige Temperat-
uren. Missmutig verzog er das Gesicht, blieb aber nicht stehen, sondern nahm sich
schnell die Schaufel, die an der Wand lehnte und eilte nach draußen.
Sobald er von der Veranda trat, steckte er knietief im Schnee. Er stapfte durch
das pulvrige Weiß zum Pick-up, lehnte die Schaufel gegen den Truck und wischte
den Schnee dann so lange vom Auto, bis er den Griff der Seitentür gefunden hatte.
Er würde den Wagen starten, das Handy am Zigarettenanzünder laden und die
Heizung aufdrehen, damit die Scheiben schon mal abtauen konnten, während er
den Rest des Autos freilegte. Dummerweise hatte er die Wagentür am Vorabend
abgeschlossen, und nun war das Schloss eingefroren – und den Enteiser hatte er,
als er alles für seinen Trip zusammengepackt hatte, achtlos ins Handschuhfach ge-
worfen – dort lag er noch immer. Er seufzte und ärgerte sich, dass er vergessen
hatte, ihn mit ins Haus zu nehmen.
»Heute ist nicht mein Tag«, knurrte er und blickte zur Straße hinüber. Die sch-
male Auffahrt des Hauses wand sich unter einigen Bäumen entlang und gewährte
den Bewohnern ein Maximum an Privatsphäre. Leider war sie aber auch sehr lang,
und
an
einem
Tag
wie
heute
war
das
zweifellos
ein
Nachteil.
Den
Weg
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freizuschaufeln würde Stunden dauern. Allerdings durfte Teddy darauf hoffen, dass
ihm diese Arbeit erspart bliebe und er nur sein Auto und die unmittelbare Umge-
bung freischippen musste, denn Marguerite hatte erwähnt, dass die Bezirksverwal-
tung für die Räumung der Straßen verantwortlich war und es außerdem einen
Hausmeister gab, der unter anderem die Einfahrt des Cottages freihielt und sich
auch sonst um alle anfallenden Arbeiten rund um das Haus der Willan-Schwestern
kümmerte.
Bis die Straßen wieder geräumt waren und der Hausmeister herkommen konnte,
um für die Einfahrt zu sorgen, wäre hoffentlich auch das Türschloss aufgetaut. Das
Beste war wohl, erst einmal Feuerholz aus dem Schuppen zu holen, den Kamin im
Wohnzimmer anzuzünden und sich etwas aufzuwärmen, während er wartete.
Aber ein Kaffee am Feuer wäre doch zu schön, dachte Teddy und spähte wieder
sehnsüchtig in Richtung der Straße. Was war bloß mit dem Strom los?
Ihm lag es nicht, tatenlos herumzusitzen und auf Rettung zu warten. Also machte
er sich auf und kämpfte sich die Auffahrt hinab. Er würde sich nur kurz eine Über-
sicht über die Lage verschaffen. Wenn die Straße frei wäre, würde er wieder
umkehren, ein Feuer machen und auf den Hausmeister warten. Und wenn sie nicht
geräumt war … na ja, er hoffte einfach darauf, dass dem nicht so wäre.
Der Weg zur Straße zog sich schier endlos hin. Als er endlich das Ende der
Auffahrt erreicht hatte, war Teddy verschwitzt und außer Atem. Nach dem an-
strengenden Marsch taten ihm außerdem die Knie weh – vor vierzig oder zwanzig
Jahren wäre das noch ganz anders gewesen. Alt zu werden war wirklich furchtbar,
dachte er bei sich und begutachtete missgelaunt die verschneite Straße. Sie war
nicht geräumt worden, zumindest nicht bis zum Cottage. Schon in drei Metern Ent-
fernung war sie nicht mal mehr zu erkennen.
Er überlegte, was er als Nächstes tun sollte. Sein Magen knurrte, die Beine
schmerzten vom Ausflug in den Schnee, sein Mund war ganz ausgetrocknet und er
schwitzte stark. Sein Gesicht dagegen brannte schon vor Kälte. Er zog den Schal
weiter vors Gesicht, um sich vor den niedrigen Temperaturen zu schützen, und
zwang sich dann weiterzugehen. Nur noch drei Meter, dachte er. Er würde nur noch
um die nächste Kurve marschieren, um einen Blick auf die Straße zu werfen, und
dann wieder ins Haus zurückkehren und den Kamin anzünden.
Als er die Abzweigung erreichte, wünschte Teddy, er hätte sich die Mühe erspart.
Der Anblick der verschneiten Straße, die sich bis zum Horizont schlängelte, war
einfach deprimierend. Sie war nicht geräumt, und so wie es aussah, würde es auch
noch eine ganze Weile so bleiben. Entweder hatte es in der vorherigen Nacht neben
dem Schneefall auch noch gestürmt oder aber einige ältere Bäume hatten unter der
Schneelast nachgegeben. Jedenfalls waren mindestens zwei auf die Straße gestürzt,
der erste nur etwa drei Meter von seinem Standort an der Kurve entfernt, der
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